Dienstag, 23. Juni 2020:
Wenn Provokationen Leben retten
Das Verhältnis von Nord- und Südkorea ist seit 1953 sehr angespannt. Und das ist noch nett formuliert, denn obwohl der sogenannte Koreakrieg 1953 mit der Teilung der koreanischen Halbinsel in einen kommunistischen Nordteil und einem kapitalistischen Südteil ein vorläufiges Ende gefunden hat, wurde niemals ein Friedensvertrag ausgehandelt. Das heißt, offiziell befinden sich Nord- und Südkorea seit 70 Jahren im Krieg. Die beiden verfeindeten Länder werden durch eine 248km lange und ca. 4km breite demilitarisierten Zone mit sehr starken Grenzbefestigungen voneinander getrennt. Die Auseinandersetzung der beiden Länder ist geprägt durch ein Wechsel von Annäherung und Spaltung. Nach einer kurzen Phase der Annäherung, bei der sogar ein gemeinsamer Wirtschaftsstandort gegründet wurde, gibt es jetzt wieder eine Phase großer Spaltung. Zuletzt hatte Nordkorea ein gemeinsames "Verbindungsbüro" in die Luft gesprengt. Auslöser für die Eskalation ist, nach nordkoreanischen Angaben, die zunehmende Provokation durch Südkorea. Gemeint sind Aktionen wie beispielsweise zu Weihnachten, wo große, stark beleuchtete Weihnachtsbäume und Lautsprechertürme an der Grenze aufgestellt wurden, um einen einseitigen Kulturtransfer zu erzwingen oder Militärmanöver, die mit der US-Marine vor der Nordkoreanischen Küste abgehalten wurden.
Neben diesen offensichtlichen Provokationen stört sich die nordkoreanische Regierung aber auch an wohltätigen Aktionen, wie der jüngsten Aktion einiger südkoreanischer Aktivisten: Sie füllen zahlreiche leere Plastikflaschen mit *Reis, Medikamenten und Mund-Nasen-Schutzmasken* und werfen diese in einen nahegelegenen Grenzfluss, wo sie dann auf nordkoreanischer Seite von der hiesigen Bevölkerung herausgefischt werden können. Die medizinische Versorgung in Nordkorea ist desaströs, auch an den nötigsten Lebensmitteln mangelt es vielen Bewohnern. Mit der Aktion versprechen sich die Aktivisten kurzfristig Linderung des Leides und setzen damit langfristig auf einen wachsenden Widerstand innerhalb der nordkoreanischen Bevölkerung gegen das autokratische Regime in Pjöngjang.
Obwohl wohltätige Aktionen wie diese nicht dabei helfen die politische Spannung der beiden Länder zu entschärfen und letztlich auch nicht in der Lage sind das Leid der Bevölkerung langfristig zu verbessern, so finde ich sie dennoch besser, als die offensichtliche Zurschaustellung des eigenen Wohlstandes, wie es zu Weihnachten oft der Fall gewesen ist. Der Reis und die Medikamente helfen den Menschen vor Ort, direkt und unmittelbar. Das ist gut! Auch wenn es an der schlechten Gesamtsituation der Menschen dort nicht viel ändert, ist es ein wichtiges Zeichen der Solidarität das Hoffnung macht. Auch ein bisschen Antibiotika kann Wunder bewirken, wenn ein Mensch in einem nordkoreanischen Dorf mit einer starken Infektion zu kämpfen hat und praktisch keine medizinische Versorgung in Reichweite ist. Jedes Leben ist schützens- und unterstützenswert, sei es auch noch so klein und unbedeutend für das politische Gesamtgefüge. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: "Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern." :-)