Freitag, 5. Juni 2020:
Einem geschenkten Gaul...

 

Ach wie schön ist es doch, wenn man etwas geschenkt bekommt: Einmal freut man sich über die Geste, dass jemand an einen gedacht hat und Geld und Zeit aufgewendet hat, um mir eine Freude zu bereiten und natürlich freut man sich über das Geschenk selbst. Naja, meistens jedenfalls... Aber wie heißt es doch so schön? "Einem geschenkten Gaul schaut man nichts in Maul." Die Geste ist was zählt.

Eine solche Geste hat nun auch ein unbekannter Künstler der Stadt Bremen gemacht. Eines Nachts stand eine lebensgroße Bronzestatue eines gebeugten Mannes mit Einkaufswagen im Stadtpark. Niemand weiß von wem die Staue ist und wer sie dorthin gesetzt hat. Normalerweise gibt es für städtische Kunstwerke einen Ausschuss, der darüber entscheidet wo welche Kunstwerke zu Stehen kommen, aber diese werden normalerweise auch teuer in Auftrag gegeben. In diesem Fall war es offensichtlich ein Geschenk und einem geschenkten Gaul... Naja, jedenfalls darf die Statue erst einmal dort stehen bleiben, schließlich "rege sie zum Nachdenken an", so die Stadtverwaltung.

Diese Nachricht erinnerte mich ein wenig an den britischen Künstler Banksy, der für seine sozialkritischen Graffitis bekannt geworden ist, die über Nacht an den verschiedensten Orten überall auf der Welt auftauchen. Ähnlich sozialkritisch ist ja auch diese Statue in Bremen, die meiner Meinung nach auf die Missstände unserer Gesellschaft aufmerksam machen möchte: Ein offenbar Obdachloser Mann schiebt einen leeren Einkaufswagen vor sich her... Irgendwie beschäftigt mich dieses Bild sehr...
Die Stadt Bremen kann sich meiner Meinung nach echt glücklich schätzen mit diesem Geschenk. Es hätte auch schlimmer kommen können: Hat die antike Stadt Troja nicht auch plötzlich eine großes Bildnis geschenkt bekommen? :-)

Donnerstag, 4. Juni 2020:
Lügen haben kleine Hände

 

Ich würde behaupten, dass jeder von uns schon einmal etwas behauptet hat, was eigentlich gar nicht stimmt. Dabei muss das noch nicht einmal eine Lüge gewesen sein: Man kann auch etwas Falsches behaupten und ist gleichzeitig fest davon überzeugt, dass es wahr ist. Das Ergebnis ist zwar letztlich dasselbe, aber der Grund ist ein anderer und das ist entscheidend! Denn wenn mir jemand unbewusst die Unwahrheit sagt fühle ich mich nicht so verletzt, wie wenn mich jemand bewusst anlügt.

Jemand der das Verbreiten von Unwahrheiten zum Beruf gemacht hat und damit unglaublich erfolgreich geworden ist, ist der amerikanische Präsident Donald Trump. Seit vielen Jahren, schon vor seiner Amtszeit verbreitet er täglich Nachrichten auf Twitter. Viele dieser Nachrichten polarisieren und einige widersprechen auch bekannten Fakten.
Letzte Woche hat Twitter dann erstmals eine Falschmeldung des Präsidenten richtig gestellt und einen Beleg dafür angeführt. Es ging dabei um die Möglichkeit der Briefwahl in Kalifornien, die angeblich die Wahlen dort manipulieren würde.
Trotz der offensichtlichen Fakten und der Belege korrigiert Trump seine Falschdarstellung nicht, sondern twitterte wiederum: "Twitter unterdrückt die freie Meinungsäußerung und ich als Präsident werde es nicht zulassen, dass das passiert!"
Die Wähler von Donald Trump nehmen ihm das aber nicht übel, weil sie entweder den Fakten nicht glauben wollen oder davon überzeugt sind, dass Trump es ja nicht so gemeint habe. Stattdessen wird er wegen seines Kriegszuges gegen Twitter gefeiert.

Keiner kann sich davon freisprechen hin und wieder etwas Falsches zu sagen, man kann ja auch nicht immer Recht haben. Ich rede zum Beispiel oft, ohne richtig nachzudenken und daher passiert mir das recht häufig. Aber sobald ich merke, dass ich falsch liege oder mich jemand darauf hinweist, korrigiere ich mich selbstverständlich und nehme die offenkundig falsche Aussage zurück. Fehler einzugestehen ist nicht immer einfach, auch mir fällt das oft nicht leicht. Aber eine offensichtliche Unwahrheit weiterhin als Wahrheit zu verkaufen ist eine Lüge; Punkt aus.
Ein altes Hebräisches Sprichwort aus der Bibel sagt: "Zum Dummkopf passt kein glänzender Spruch und noch viel weniger eine Lüge zum geachteten Menschen." (Buch der Sprüche 17,7)
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen wahrhaft schönen Tag! :-)

 

Mittwoch, 3. Juni 2020:
Wenn Kunst das Schweigen bricht

 

"Völlig irrational, unverantwortlich, nutzlos, mit nichts zu rechtfertigen - außer damit, dass wir es mögen." So beschrieb der kürzlich verstorbene Künstler Christo seine Kunst. Zusammen mit seiner französisch-stämmigen Frau Jeanne-Claude wagte der Bulgare überall auf der Welt außergewöhnliche Installationen, die die Menschen gleichsam irritierten und erstaunten.
Und obwohl der Tod eines Menschen nicht unbedingt als gute Nachricht gezählt werden kann, so möchte ich diesen Impuls dennoch zum Anlass nehmen auf die Lebensleistung dieses Künstlers zu Blicken. Denn was Christo hinterlassen hat, hat bei vielen Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und zwar im positivsten Sinne.

Gehe wir zurück in das Jahr 1994: Vor rund 26 Jahren debattierte in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn der Bundestag über ein Großprojekt. Mitten in den Renovierungsarbeiten des Deutschen Reichstagsgebäudes in Berlin boten Christo und seine Frau an, das gesamte Gebäude mit riesigen weißen Stofftüchern zu verhängen. Nach 70 Minuten voller Pros und Contras wurde darüber abgestimmt und mit einer Mehrheit von 69 Stimmen wurde die Verhüllung des Reichstages beschlossen. 25 Jahre schon träumte Christo davon den Reichstag zu verhüllen, knapp ein Jahr später, im Sommer 1995 war es dann endlich soweit: Das ehemalige Regierungsgebäude des Deutschen Kaiserreiches und der gescheiterten Weimarer Republik wurde komplett in weiße Tücher gehüllt. Der Anblick sollte ein Zeichen setzen gegen die "German Angst", die angesichts der dunklen Vergangenheit dieses Gebäudes den Deutschen noch tief in den Knochen saß. Was für ein Schicksal würde das noch jung vereinte Deutschland wohl erwarten, wenn jetzt wieder, nach der Restaurierung, der Deutsche Bundestag dort einziehen würde?
Das Projekt sollte einen Neuanfang ermöglichen und es war ein voller Erfolg: Millionen Menschen strömten dorthin um es zu sehen. Fotos wurden gemacht, ja sogar getanzt und davor geheiratet. Der Schrecken der Vergangenheit war wie weggeblasen.

Es ist schon erstaunlich was Kunst in einem Menschen auslösen kann. Ein Kollege von mir schrieb mir gestern, dass auch er da war und völlig überwältigt war vom Anblick des verhüllten Gebäudes. Die WZ vergleicht die Atmosphäre vor Ort sogar mit der des berühmten Musikfestivals Woodstock 1969.
Leider habe ich die Verhüllung selbst nicht miterleben können, zu dem Zeitpunkt war ist 6 Jahre alt... Aber Christo ging auch an mir nicht spurlos vorbei: Im Jahr 2016 realisierte er auf dem Iseo-See in Norditalien eine Großinstallation aus schwimmenden Stegen. Die "Floating Piers" ermöglichten es einem zu Fuß über den See zu gehen. Ich wäre so gerne da gewesen, aber Prüfungen hielten mich leider davon ab. Einmal wie Jesus über den See laufen, das muss ein beeindruckenden Gefühl gewesen sein!
Im Alter von 84 Jahren ist Christo jetzt gegangen, er hinterlässt viele beeindruckende Werke, Erinnerungen und Gedanken. Danke dafür! :-)