Samstag, 20. Juni 2020:
Leben um zu arbeiten
Über Home-Office habe ich ja schon das ein oder andere Mal geschrieben. Vor einigen Jahren war das noch eine absolute Besonderheit, dank Corona gehört es in vielen Berufen mittlerweile in den Bereich des Möglichen. Mein Schwager hat jetzt sogar eine Stelle bekommen, die noch einen Schritt weiter geht: Er darf in seinem neuen Beruf als Programmierer "remote", also von unterwegs aus, arbeiten. Die Idee dahinter ist, dass es keine Rolle spielt wann und wo er arbeitet, Hauptsache er erledigt ein definiertes Arbeitspensum in einem abgesprochenen Zeitraum. Allerdings arbeitet er als Programmierer in einem sehr innovativen Beruf, der zu nahezu 100% am Laptop ausgeführt werden kann. Ein Handwerker, der "remote" oder im Home-Office arbeitet wird es hingegen schwieriger haben...
Einen etwas anderen Weg, der auch für handwerkliche Berufssparten möglich wäre, will Neuseeland gehen: Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Rezession im eigenen Land etwas auszugleichen und den Binnentourismus anzukurbeln, empfiehlt die neuseeländische Regierung allen Firmen nun, eine 4-Tage Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich einzuführen. Die Idee dahinter: Wenn die Menschen 3 Tage am Stück frei haben, reisen sie öfter und haben mehr Zeit, ihr Geld auszugeben.
Was so unfassbar verrückt klingt ist bei der neuseeländischen Rechtsberatungsfirma "Perpetual Guardian" seit zwei Jahren Gang und Gäbe. Allerdings arbeitet man dort auch mehr, als die üblichen 8 Stunden am Tag; irgendwie muss die Wirtschaftsleistung ja erbracht werden.
Konzepte wie diese deuten einen Trend an, den ich persönlich nur begrüßen kann: Weg von den starren Arbeitszeiten hin zu mehr Flexibilität für Beruf und Alltag. Wenn die Geschlechtergerechtigkeit wirklich zum Durchbruch kommen soll, muss es für beide Elternteile möglich werden, bedarfsgerecht und flexibel für ihre Kinder da zu sein. Es muss ja nicht gleich "remote" sein, wie mein Schwager, aber doch zumindest zeitlich flexibler als Gleit- oder Teilzeit. Die deutsche Wirtschaft ist, was revolutionäre Ideen angeht, eher zurückhaltend. Aber immerhin gibt es gute Beispiele, von denen man lernen kann :-)