Montag, 18. Mai 2020:
Soldat*innen im Kampfeinsatz gegen das Virus

Ich gehöre zum vorletzten Jahrgang von jungen Männer, die noch ihren Wehrdienst ableisten mussten. Ich habe mich damals bewusst gegen den Wehrdienst und für den Zivildienst entschieden; ich wollte Menschen helfen, nicht sie töten. Das musste ich damals gut begründen, denn Zivildienst konnte man nur machen, wenn man den Wehrdienst mit einer plausiblen Begründung verweigert hat.
Dass Soldaten aber nicht nur für den Kampf gegen andere Menschen eingesetzt werden, sondern ebenso auch um Leben zu bewahren ist etwas, dass mir erst später klar geworden ist. Sicher, die Ausbildung von Soldat*innen beinhaltet stets den Umgang mit der Waffe, Schießübungen gehören ebenso zum Ausbildungsplan, wie Sport und Einsatztheorie. Sie werden darauf trainiert im Ernstfall Menschen zu töten und sich in Kriegsgebieten schnell zurecht zu finden. Aber Krieg ist nur eines der möglichen Einsatzmöglichkeiten für Soldat*innen.

Soldat*innen können auch fachfremd sogenannte "Amtshilfe" leisten, zum Beispiel bei Natur- oder anderen Katastrophen, wo dringend tatkräftige Unterstützung benötigt wird.
So sind jetzt aktuell in der Krise 230 Anträge auf Amtshilfe von Senioren- und Pflegeheimen bei der Bundeswehr eingegangen und bewilligt worden. Aufgrund des erhöhten Ansteckungsrisikos in solchen Einrichtung, sind bereits viele Pflegekräfte ausgefallen. Auch die strengeren Hygienemaßnahmen erfordern mehr Personal. Hier sollen nun Soldat*innen aushelfen und das restliche Pflegepersonal bei ihrer Arbeit unterstützen. Erkennen werden Sie die Soldat*innen aber auf Anhieb nicht, wenn Sie demnächst Ihre Angehörigen in einer solchen Einrichtung besuchen gehen, denn Sie tragen während ihres Einsatzes dieselbe Berufskleidung wie das restliche Pflegepersonal.

©tagesschau.de

Ich freue mich sehr darüber, dass eine Berufsarmee, wie die Bundeswehr, ihre Soldaten nicht nur für den Krieg ausbildet und einsetzt, sondern auch für unsere Zivilgesellschaft. Die Soldat*innen sind Retter im Ernstfall, wobei Ernstfall in diesem Fall weiter verstanden wird, als ich gedacht hätte. Soldat*innen im Kampfeinsatz gegen das Virus. Manchmal ist es doch schön, wenn man sich irrt und die eigenen Vorurteile eine Wachablösung erhalten :-)

Sonntag, 17. Mai 2020:
Helfen kann so lecker sein

 

Kennen Sie diesen Satz: "Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!"? Ich kenne ihn vor allem aus meiner Kindheit, wenn ich statt Kartoffeln lieber Pommes haben wollte. Heute bin ich in einem Altern, wo ich selbst entscheiden kann, was "auf den Tisch kommt". Natürlich muss ich mich da auch mit meiner Frau abstimmen, aber bislang gelingt es uns ganz gut. Das wird wohl nicht mehr so einfach sein, wenn wir Kinder haben und sie auch lieber Pommes statt Kartoffeln essen würden. Aber wir betreiben ja auch kein Restaurant, wo man sich sein Wunschgericht einfach auf einer Speisekarte aussuchen kann und jeder ein anderes Gericht bekommt.
Allerdings habe ich jetzt erfahren, dass nicht jedes Restaurant so funktioniert:

Vor kurzem hat nämlich ein Restaurant in Tokio eröffnet, wo genau das passiert, was man vermutlich zuletzt als Kind erlebt hat: Man setzt sich an den Tisch, wünscht bzw. bestellt sich ein Gericht und bekommt etwas völlig anderes. Doch das hat einen besonderen Grund: Alle Kellner in dem Restaurant sind Dement oder leiden an Alzheimer. Sie vergessen oder vertauschen schon mal gerne die Bestellungen. So kann es sein, dass man plötzlich etwas ganz anderes bekommt, als man eigentlich bestellt hat. Aber man will ja auch nichts wegschmeißen und so wird eben "gegessen, was auf den Tisch kommt." Dass so etwas passieren kann, wissen die Besucher allerdings vorher, denn das Restaurant trägt den passenden Namen "The Restaurant of Order Mistakes" (= "Das Restaurant der falschen Bestellungen").
Mehr dazu auf stern.de: https://www.stern.de/genuss/essen/bestellung-vertauscht--weil-die-kellner-demenz-haben-7495468.html

Wie oft habe ich erlebt, dass sich Menschen im Restaurant über ihr Essen beschwert haben; oft nur wegen Kleinigkeiten. Dabei ist das für niemanden besonders angenehm: Weder für den Gast, der sich in den Fokus der Aufmerksamkeit der anderen Gäste stellt, noch für die Angestellten, die diesen Frust abbekommen. Dabei unterstelle ich grundsätzlich keinem Koch oder Kellner, dass er seine Arbeit bewusst schlecht machen möchte. Vielleicht hilft hier schon eine positive Grundhaltung, dass sich alle Mühen bei ihrer Arbeit geben.
Mit einer Kultur der Anerkennung können Restaurants und Cafés zu Orten werden, wo Menschen ein gutes soziales Zusammensein erleben. Die Menschen mit Demenz und Alzheimer im japanischen Restaurant fühlen sich wieder in die Gesellschaft integriert und wertgeschätzt. Das gleiche erleben ich auch im Café Kontakt auf dem Gelände der Alexianer in Aachen. Dort arbeiten Menschen als Kellner und Köche, die psychische Probleme haben und wieder einen Weg in die Gesellschaft suchen. Der strukturierte Betrieb im Café und das positive Feedback der Gäste helfen ihnen dabei sehr. So kann Therapie auch Spaß machen, für die Angestellten ebenso wie für uns Gäste :-)

 

 

Samstag, 16. Mai 2020:
Das ist doch nicht meine Schuld!

 

"Das ist nicht meine Schuld!" gehört mit zu den ersten Sätzen, die Kinder lernen. Dahinter steht in erster Linie das Bedürfnis sich vor Strafe zu schützen. Schuld wird bewusst von sich fern gehalten. Niemand ist gerne verschuldet, weder finanziell, noch materiell oder ethisch.
Früher war Schuld etwas Übertragbares; Kinder hafteten oft für die Taten ihrer Eltern. Im asiatischen Raum gibt es dieses Konzept heute noch und auch aus dem Erbschaftsrecht kennen wir die Übernahme der Schulden seiner Eltern.
Was mir aber aus meinen Alltagserfahrungen völlig fremd ist, ist das Übernehmen der Schuld eines anderen. Im Christentum gibt es das schon lange: Jesus hat die Schuld der Welt auf sich genommen und hat sie durch seinen Tod für uns getilgt. Das klingt dermaßen abstrakt in meinen Ohren, dass ich das immer noch nicht ganz begriffen habe.

Umso erstaunter war ich dann, als ich vor kurzen die Nachricht entdeckt habe, dass Menschen in der türkischen Metropole Instanbul jetzt freiwillig und anonym die Schulden anderer Mitbürger übernehmen. Zu diesem Zweck ist extra ein Online-Portal eingerichtet worden, wo verschuldete Bürger ihre unbezahlten Rechnungen einstellen können. Bürger denen es finanziell besser geht, können dann Rechnungen für die ärmeren begleichen, wenn sie möchten. So sind bereits über 80.000 Rechnungen im Gesamtwert von umgerechnet 1,3 Millionen Euro beglichen worden.
Quelle: Tagesschau.de

Statt die Schuld immer von sich abzuwenden, wie es der Satz "Das ist doch nicht meine Schuld!" suggeriert, heißt es nun "Ich trage die Schuld für dich."
Dieses Beispiel hat mir geholfen, die Schuldübernahme Jesu ein wenig besser zu begreifen: Auch er hat nicht alles zurückgewiesen, sondern stand für seine Vision von einem Leben in Harmonie -dem Reich Gottes eben- ein. Er bezahlte für seine rettenden Wunder mit seinem Leben. Ein extrem hoher Preis, aber Jesus konnte ihn tragen. Für mich als Mensch ist es schon Wunder genug, wenn Menschen sich so solidarisch zeigen, wie jetzt in Istanbul, und die Schulden von anderen übernehmen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten; ganz anonym. Genau das ist für mich die Erfüllung des Reiches Gottes auf Erden, wovon Jesus immer gesprochen hat :-)